Serie: Die Revolution des Qur’ans als Antwort auf die Probleme der Bibel – am Beispiel von Adam und Eva (Teil 1)

  • Teil 1: Der Qur’an greift die Geschichten auf und erzählt sie neu
  • Teil 2: Erste Erkenntnisse und das Gottesbild des Alten Testaments
  • Teil 3: Das Menschenbild im Alten Testament
  • Teil 4: Der Qur'an Text die völlig neue Geschichte und das Gottesbild im Islam
  • Teil 5: Das Menschenbild im Qur’an
  • Teil 6: Weitere Aspekte im Vergleich: Verhältnis zu Wissen, Erde und Aussenwelt
  • Teil 7: Die Bedeutung und Konsequenz der Geschichte für uns heute nach der Bibel und dem Qur'an

Der Qur’an greift die Geschichten auf und erzählt sie neu

Einführung

Sehr häufig werden wir als eine Religion gesehen, die im Grunde von Christen und Juden abgeschrieben hat und das noch auf eine schlechte und aggressive Weise. Selbst bei den sogenannten Islamwissenschaftlern (natürlich nicht alle) habe ich erlebt, dass sie den Qur’an für ein schlechtes Zusammengeschreibe der christlichen Geschichten einstufen. Von daher nimmt kein Westler den Islam so richtig ernst.

Es machte mich sehr unzufrieden, wenn wir Muslime den Vertretern der anderen Religionen gegenüberstanden und nicht wirklich den revolutionären Unterschied des Qur’ans zu ihren Schriften aufzeigen konnten. Wir erlebten uns in wichtigen Geschichten wie Adam und Havva, Ibrahim (as) usw. irgendwie ähnlich. Hier ein Detail, da ein kleiner Unterschied usw.

Aber so richtig zeigen, weshalb der Qur’an sich als eine Reform zu den vorhandenen heiligen Büchern (insbesondere die des Christentums und Judentums) verstand und vor allem aber, was der Qur’an gegenüber der schon vorhandenen biblischen Botschaft konkret und gezielt veränderte, das blieb leider aus.

Beim Murshid (ks) lernte ich die Vorgehensweise und die Lehrmethode des Qur’ans kennen und habe begriffen, dass wir nur im direkten Vergleich und durch die Auseinandersetzung mit den vorherigen heiligen Schriften erkennen in welchen Bereichen der Islam bzw. der Qur’an tatsächlich eine Bereicherung und eine Erweiterung der damaligen Religionen darstellt und das natürlich immer noch ist.

Denn das ist das Selbstverständnis des Islams. Er ist gekommen um auf die Probleme der vorherigen Religionen eine Antwort zu geben und alle Menschen auf ein höheres Niveau zu heben. Es ist jedoch wenig hilfreich, wenn wir dies nur behaupten, sondern wir müssen das auch auf eine kompetente und konkrete Art und Weise beweisen können. Nur die direkte freundliche Auseinandersetzung mit den Lehren der anderen Religionen führt zu fruchtbaren Erkenntnissen. Dies wollen wir mit einer Grundlagengeschichte machen.

Grundintention und Methode des Qur’ans

Ich möchte vorwegschicken, dass der Qur’an mehr Miteinander zwischen den Religionen möchte. Er kommt in einer religionshistorischen Situation auf die Welt, wo sich die damaligen Religionen gegenseitig verdammen und wo sich die Religion im Sinne von Gruppendenken, Stammesidentitäten und Exklusivverträgen mit Gott verstehen. Genau bei dem macht Qur’an nicht mit und bringt ein völlig neues Modell von Religion, von Beziehung Mensch-GÖTTLICHES und Mensch-andere Menschen. Er löst damit endlich das religiös Trennende zwischen den Menschen auf und richtet alle Menschen auf die Idee aus, dass es nur um eine immer besser zielgerichtete Arbeit auf das GÖTTLICHE zu geht und darum in immer eine vertieftere Beziehung zum GÖTTLICHEN zu kommen (nennt sich Hingabe, die Übersetzung des Wortes Islam).

Genau deshalb fordert der Qur'an uns zum positiven Vergleich auf. Es geht darum, dass alle Menschen mehr zum GÖTTLICHEN finden und nicht mehr durch alte Geschichteln (die der Qur’an Mathalu, Gleichnisse, nennt) oder nicht mehr zielführenden Denkmodellen und Lehren gehindert werden (was der Qur’an als kafara bezeichnet).

Unser GÖTTLICHES und Euer GÖTTLICHES ist eines (und dasselbe) und wir sind Hingegebene zu IHM.

Ilahuna wa ilahukum wahidun wa nachnu lahu muslimun

Das ist die Intention des Qur’an und es geht nicht darum die Muslime als Gruppe besser erscheinen zu lassen, sondern zum Nutzen aller Menschen miteinander. Diese Gleichzeitigkeit aus Miteinander aller Menschen und gerade deshalb zum Nutzen aller Menschen die religiösen Lehren miteinander zu vergleichen, ist die Grundbotschaft des Qur'an.

Der Qur’an hat eine Methode, wie er seine Botschaft bringt, der wir immer wieder begegnen werden. Zum einen geht er so vor, dass er direkt Unterschiede einfach benennt (Christus ist nicht Gottes Sohn 5:17 oder 5:72). Zum anderen aber geht er auch subtiler vor und greift zunächst scheinbar die Botschaft der vorherigen Religionen auf und erzählt sie dann auf eine neue Weise. So erzieht er die Menschen und gewöhnt sie an neue Gedanken und Denkweisen. Denn der Islam wurde geschickt als eine Meta-Religion, die das klärt, was aller Religion zugrunde liegt und was echte Religiosität ausmacht. Er sieht sich als Antwort auf die Probleme der bisherigen Religionen und möchte deren Fehler nicht wiederholen. Dazu setzt sich der Qur’an ganz gezielt mit den vorhandenen heiligen Büchern auseinander. Das macht er, indem er viele der vorhandenen bekannten religiösen Geschichten aufgreift und auf eine andere, neue Weise erzählt. Eine Weise, die ein neues Bild von Religion vermitteln soll und dabei ganz sanft vorgeht.

Ein wirklicher direkter Vergleich zwischen den alten biblischen Geschichten und der Art und Weise, wie sie der Qur’an neu erzählt, kann uns also sehr viel von dem vermitteln, was ALLAH (cc) eigentlich und ursprünglich sagen will und wie er unser Verstehen von Religion, von Weg zu IHM verändern will. Der direkte Vergleich spricht dabei für sich.

Adam und Eva im Alten Testament

Die wichtigste dieser Geschichten, aus der sich die Gründe für das menschliche Sein auf Erden ableiten und dementsprechend unsere Moral, unser Menschen- und Gottesbild und unser Verhältnis zum Göttlichen und zu uns selbst, ist die Geschichte von Adam und Havva, den ersten Menschen, die ER erschaffen hat und die zugleich aus dem Cennet herausfielen und sich jetzt den irdischen Realitäten auf eine Weise stellen müssen, dass sie wieder zu IHM zurückkehren können.

Der Qur’an greift öfter darauf zurück, doch an einer Stelle im Qur’an, Sura 7:11-26 erzählt er ganz direkt parallel zu der entscheidenden Geschichte in der Bibel.

Die Geschichte von Adam und Eva bzw. Adam und Havva (as) erklärt in beiden Religionen die Grundweise wie wir die Welt und unsere religiöse Aufgabe sehen. Für Christen weshalb sie einen gekreuzigten Gottessohn brauchen und für uns, weshalb wir eine bestimmte religiöse Praxis und Veränderung unseres Nefs (damit meint der Qur’an unsere gesamte Innerlichkeit) brauchen. Wichtig anzumerken ist, dass diese Geschichte für den Qur’an ein Mathalu ist, also Gleichnis. Sie wird nicht als ein historischer Akt vorgestellt. Dies hebt den Qur’an natürlich auf eine ganz andere Ebene.

Stürzen wir uns in das Abenteuer. Unten siehst Du beide Textpassagen aus der Bibel und dem Qur’an nebeneinander.

Aufgabe 1

Lies zuerst nur den Bibeltext durch. Was fällt Dir sofort auf, wenn Du den Text liest? Besonders unter den Aspekten des Gottesbildes, des Menschenbildes und des Verhältnisses zwischen Gott und Mensch? Halte Deine Erkenntnisse stichwortartig fest.

Aufgabe 2

Lies jetzt den Qur’an Text durch. Was fällt Dir im Vergleich auf? Besonders unter den Aspekten des Gottesbildes, des Menschenbildes und des Verhältnisses zwischen Gott und Mensch? Halte Deine Erkenntnisse stichwortartig fest.

Die Auflösung und die weitere Diskussion des Textvergleichs folgt iA in Teil 2 😊

Die Geschichte von Adam und Eva im Alten Testament

1. Mose 3, 1ff

Aber die Schlange war listiger als alle Tiere auf dem Felde, die Gott der HERR gemacht hatte, und sprach zu der Frau: Ja, sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten? (1)

Da sprach die Frau zu der Schlange: Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten; (2)

aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esset nicht davon, rühret sie auch nicht an, dass ihr nicht sterbet! (3)

Da sprach die Schlange zur Frau: Ihr werdet keineswegs des Todes sterben, (4)

sondern Gott weiß: an dem Tage, da ihr davon esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist. (Erkenntnis, Wissen) (5)

Und die Frau sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von der Frucht und aß und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon und er aß. (6)

Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze. (7)

Und sie hörten Gott den HERRN, wie er im Garten ging, als der Tag kühl geworden war. Und Adam versteckte sich mit seiner Frau vor dem Angesicht Gottes des HERRN unter den Bäumen im Garten. (8)

Und Gott der HERR rief Adam und sprach zu ihm: Wo bist du? (9)

Und er sprach: Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich. (10)

Und er sprach: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du nicht gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot, du solltest nicht davon essen? (11)

Da sprach Adam: Die Frau, die du mir zugesellt hast, gab mir von dem Baum und ich aß. (12)

Da sprach Gott der HERR zur Frau: Warum hast du das getan? Die Frau sprach: Die Schlange betrog mich, sodass ich aß. (13)

Da sprach Gott der HERR zu der Schlange: Weil du das getan hast, seist du verflucht, verstoßen aus allem Vieh und allen Tieren auf dem Felde. Auf deinem Bauche sollst du kriechen und Erde fressen dein Leben lang. (14)

Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau und zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen; der soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen. (15)

Und zur Frau sprach er: Ich will dir viel Mühsal schaffen, wenn du schwanger wirst; unter Mühen sollst du Kinder gebären. Und dein Verlangen soll nach deinem Mann sein, aber er soll dein Herr sein. (16)

Und zum Mann sprach er: Weil du gehorcht hast der Stimme deiner Frau und gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot und sprach: Du sollst nicht davon essen -, verflucht sei der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang. (17)

Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Kraut auf dem Felde essen. (18)

Die Verse des Qur’ans zu Adam und Havva (as)

Al-A'raf, 11ff

Und WIR haben euch ja erschaffen. Hierauf haben WIR euch gestaltet. Hierauf haben WIR zu den Engeln gesagt: Werft euch vor Adam nieder!" Da warfen sie sich nieder, außer Iblis. Er gehörte nicht zu denjenigen, die sich niederwerfen." (11)

ER (Allah) sagte: "Was hat dich davon abgehalten, dich nieder-zuwerfen, als ICH (es) dir befahl?" Iblis sagte: "Ich bin besser als er. DU hast mich aus Feuer erschaffen, ihn aber hast DU aus Lehm erschaffen." (12)

ER (Allah) sagte: Geh fort von ihm (Paradiesgarten)! Es steht dir nicht zu, darin hochmütig zu sein. So geh hinaus! Gewiss gehörst du zu den Geringgeachteten. (13)

Er (Iblis) sagte: "Gewähre mir Aufschub bis zum Tag, da sie auferweckt werden." (14)

ER (Allah) sagte: "Du sollst gewiss zu denjenigen gehören, denen Aufschub gewährt wird." (15)

Er (Iblis) sagte: "Darum, dass DU mich in Verirrung hast fallen lassen, werde ich ihnen ganz gewiss auf Deinem geraden Weg auflauern."(16)

Hierauf werde ich ganz gewiss von vorn und von hinten, von ihrer Rechten und von ihrer Linken über sie kommen. Und DU wirst die meisten von ihnen nicht dankbar finden." (17)

ER (Allah) sagte: "Geh hinaus aus ihm, verachtet und verstossen! Wer auch immer von ihnen dir folgt, ICH werde die Hölle ganz gewiss mit euch allesamt füllen." (18)

"O Adam, weile du mit deiner Gattin in dem Garten und esst, wovon immer ihr wollt, nur nähert euch nicht diesem Baum, sonst werdet ihr Ungerechte (Zalemin) sein." (19)

Doch Satan flüsterte ihnen ein, um ihnen das kundzutun, was ihnen von ihrer Blösse verborgen war. Er sagte: "Euer Herr hat euch diesen Baum nur deshalb verboten, damit ihr nicht Engel oder Ewiglebende werdet." (20)

Und er schwor ihnen: "Gewiss, ich bin euch ein aufrichtiger Ratgeber." (21)

So verführte er sie durch Trug. Und als sie von dem Baum kosteten, zeigte sich ihnen ihre Blösse offenkundig und sie begannen, sich mit den Blättern des Gartens zu bekleiden; und ihr Herr rief ihnen zu: "Habe ICH euch nicht diesen Baum verwehrt und euch gesagt: »Wahrlich, Satan ist euer offenkundiger Feind«?" (22)

Sie sagten: "Unser HERR, wir haben unserem Nefs Zulm zugefügt; und wenn DU uns nicht verzeihst und DICH unser erbarmst, dann werden wir gewiss unter den Verlierern sein." (23)

ER sprach: "Hinab mit euch; die einen von euch seien der anderen Feinde. Und es sei euch auf der Erde (nur) ein Aufenthaltsort und eine Versorgung auf Zeit bestimmt." (24)

ER sprach: "Auf ihr sollt ihr leben, und auf ihr sollt ihr sterben, und aus ihr werdet ihr (wieder) hervorgebracht werden." (25)

O Kinder Adams, WIR haben auf euch Kleidung hinabgesandt, die eure Blösse verbirgt und schmückende Kleidung (Gefieder). Aber die Kleidung der Taqwa, die ist besser. Das ist (eines) von ALLAH`s Zeichen, auf das sie Zikr machen (sich erinnern, bewusst machen, ya zakkarun) (26)

O Kinder Adams, der Satan soll euch ja nicht der Versuchung aussetzen, wie er eure (Stamm)eltern aus dem (Paradies)garten vertrieben hat, …. Gewiß, er (Shaitan) sieht euch, er und sein Stamm, von wo ihr sie nicht seht. Gewiß, WIR haben die Satane zu Schutzherren für diejenigen gemacht, die nicht glauben. (27)

O Kinder Adams, legt euren Schmuck bei jeder Gebetsstätte an und esst und trinkt, aber seid nicht maßlos! - ER (Allah) liebt nicht die Maßlosen. (31)

Sag: Wer hat den Schmuck Allahs verboten, den Er für Seine Diener hervorgebracht hat, und (auch) die guten Dinge (aus) der Versorgung (Allahs)?... (32)


Quelle: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luther in der revidierten Fassung von 1984. Durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung.


Quelle: Der edle Qur’an. Offizielle saudische Übersetzung nach Frank Bubbenheim und Nadim Eliya


2024-01-20 | Muslim Spiritual Talks